Der KAMPF GEGEN DIE AFD -Eine Frage der Befindlichkeit

Der KAMPF GEGEN DIE AFD -Eine Frage der Befindlichkeit

Der Schock der vergangenen Bundestagswahl sitzt noch immer tief. Links- und Rechtspopulisten feiern im neuen Bundestag fröhliche Urständ und die etablierten Parteien CDU/CSU und SPD suchen nach einem Ausweg aus dem Dilemma unseres demokratischen Systems. Wie bequem war doch das alte Drei-Parteien-System der alten Bundesrepublik bestehend aus der Union, der SPD und der FDP. Es reichte so immer mit einem Zweierbündnis zu einer stabilen Mehrheit im Bundestag.

Jetzt schnuppern nur noch die Unionsschwestern CDU und CSU gelegentlich an Wahlergebnissen, die entfernt an glorreiche Zeiten erinnern. Aber auch das ist kein Ruhekissen. Auch wenn man mitunter das Gefühl hat, dass sich CDU und CSU längst daran gewöhnt haben, nicht mehr an die glorreichen Wahlzeiten anknüpfen zu können, als Franz Josef Strauß und Helmut Kohl Wahlergebnisse rund um die 40 Prozent und darüber einfuhren.

 Was also tun, wie können die etablierten Parteien es schaffen das Vertrauen der Wähler zurückzugewinnen? Das ist die politische Preisfrage des Jahres! Die SPD glaubt ihr Rezept gefunden zu haben. Ausweislich des letzten SPD-Parteitages rückte die Partei mit einem „beherzten Vorwärts Genossen, wir müssen zurück…“ ein Stück weiter auf die linke Seite und programmatisch noch vor das „Godesberger Programm, das dereinst aus der linken SPD eine für weite Kreise der bürgerlichen Wählerschaft wählbare Partei im linken Bereich der Mitte machte. „Ad fontes- zu den Quellen“ hätte mein ehemaliger Lateinlehrer Albert von Schirnding gesagt.  Ob der neue alte Anstrich funktioniert, um die traditionellen Wähler für die SPD zu gewinnen, die jetzt bei der AfD gelandet sind, ist mehr als fraglich. Aus der einstigen Arbeiterpartei meines Großvaters und meiner Onkel ist längst eine Partei der Polito-, Sozio- oder sonstigen -logen geworden, die nur noch seltene Berührungen mit der Arbeiterschaft hat. Mein Onkel Helmut aus dem Ruhrgebiet, war seines Zeichens Steiger „unter Tage bei Dahlbusch“ – Er baute Kohle ab und er war „selbstverständlich“ SPD-Genosse. Seine Kumpel und er nannten solche Leute „Tintenpisser“. Sie meinten, diese legten ihre Krawatten bei den Treffen des SPD-Ortsvereins nur ab, um Nähe zur Arbeiterschaft inszenieren. 

Heute stammen nur noch wenige Funktionsträger der SPD aus dem Arbeitermilieu. Kurz die SPD hat damit ihren Stallgeruch verloren, den sie ich in den Verteilungskämpfen der 50er und 60er Jahre erworben hatte.  Trotzdem soll das alte Lied der Arbeiterbewegung „Wann wir schreiten Seit an Seit und die alten Lieder singen…“ zum Hit bei den Wählern werden.

Auch CDU und CSU haben ihre Strategie des Nichtbeachtens und Schweigens gegenüber der AfD aufgegeben.  Sie versuchen jetzt den kämpferischen Umgang mit der Partei aus der rechten Ecke. So wie es Bundeskanzler Friedrich Merz in der jüngsten Haushaltsdebatte des Bundestages tat. Er konterte kühl die Angriffe der Chef-Polemikerin der AfD und setzte staatsmännisches Agieren gegen Beschimpfungen.  Es weht ein neuer Wind im Parlament!

Wird das ausreichen um Wähler von der AfD zurück ins demokratische Spektrum zu holen? Zwar mehren sich die Zeichen, dass die politischen Weichenstellungen der Bundesregierung wirken. Sinkende Zahlen bei der Migration und eine bessere Stimmung in der Wirtschaft. Das stimmt zuversichtlich. Das Gefühl des Erfolgs könnte aber auch trügen. Die Gründe für die Popularität der Rechtspopulisten und -radikalen und deren Wahlerfolge dürften tiefer liegen. Sie erschöpfen sich nicht in der Migrations- und Wirtschaftspolitik.

Ein Blick auf die Landkarte der Bundesrepublik zeigt, dass die AfD in den fünf Bundesländern, die bis 1990 die DDR bildeten, ihre größte Anhängerschaft haben. Der Erfolg der Rechtsaußen-Partei dürfte daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch mit dem Gefühlsleben der Menschen dort zu tun haben.

Ich erinnere mich an den Wahlkampf für die ersten freien Volkskammerwahlen in der DDR im Jahr 1990. Am Rande einer Wahlkampfveranstaltung mit dem CSU-Vorsitzenden Theo Waigel fragte mich einer der Wahlkämpfer der damals noch aktiven DSU, ob ich wisse für was das Kürzel DDR stehe. Es stehe nämlich nicht für Deutsche Demokratische Republik, sondern für „Der dämliche Rest“. Daran werde sich auch mit der Wende nicht viel ändern – auch dann nicht, wenn die alte DDR verschwindet. Man fühle sich eben wie die lästige, arme Verwandtschaft. Aus seinen Worten sprach ein tiefes Minderwertigkeitsgefühl. Das bis heute offensichtlich noch auf das Gemüt vieler ehemaliger DDR-Bürger drückt.

Angela Merkel hat dies am Ende ihrer Kanzlerschaft in einer Rede angesprochen.   In einer Rede zum „Tag der Deutschen Einheit“ 2021 bedauerte, davon, dass „zu wenig vom Leben in der alten DDR“ in der deutschen Gegenwart übriggeblieben sei. Menschen aus dem Osten hätten deshalb Probleme mit ihrer Identifikation. Leider ist man über Merkels Rede zu schnell zur Tagesordnung über gegangen, ohne über das gesagte ernsthaft nachdenken. 

Versetzt man sich noch einmal zurück in die Zeit der Wende, erklärt sich das. Man wollte das historische Zeitfenster nutzen, dass sich in der DDR und im übrigen Ostblock auftat.  Den Rest besorgte die Geschäftigkeit des Prozesses, in dem die Einheit Deutschlands wieder hergestellt wurde. Die deutsch-deutsche Wirtschafts- und Währungsunion, die Integration in die bundesdeutschen Sozialsysteme forderten zu viel Kraft und Aufmerksamkeit.  

Dabei kamen die Befindlichkeiten der ehemaligen DDR-Bürger zu kurz. Niemand ahnte, dass dies das Feld bereitete, auf dem im Osten die Wutbürger wuchsen. Es ist ein Treppenwitz, der Geschichte, dass ausgerechnet Wessis die in der AfD für den rechten Kammerton sorgen, sich erfolgreich als vorgebliche Interessenvertreter der Menschenihrer ausgeben können. Das erklärt die Wahl- und Umfrageerfolge der AfD in den Gebieten in den nicht mehr ganz neuen „fünf Bundesländern“. Mittlerweile sammeln sich auch jene Wessis ein, die sich von der Politik nicht ernst und wahrgenommen fühlen. Es wird mehr brauchen als eine Wende in der Migrationspolitik und einen wirtschaftlichen Aufschwung, um sie wieder zurück zu holen.    

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