“It’s the economy stupid” oder “Wo bleibt die Hallo Wach Schokolade?”

“It’s the economy stupid” oder “Wo bleibt die Hallo Wach Schokolade?”

In meiner Kindheit hatte ich ein großes Verlangen nach einer Schokolade, die es nur in den Tankstellen gab – die „Hallo Wach-Schokolade“. Sie sollte müde Auto- und Lkw-Fahrer vor dem Sekundenschlaf am Steuer bewahren. Meine Eltern befanden, dass das „Zeugs nix“ für ihren Jüngsten sei und beendeten meine Quengelei meist mit einem Stück Vollmilchschokolade, für die ich besonders schwärmte. 

Als jetzt die bittere Wahrheit über den Zustand unserer Wirtschaft mit der Nachricht „Deutschland steckt in einer Rezession!“ ans Licht kam, fragte ich mich, ob man nicht unserem Kanzler und seinem Wirtschaftsminister mit einem ein großes Stück „Hallo-Wach-Schokolade“ auf die Sprünge helfen sollte. Sie haben seit ihrem Amtsantritt die Zeichen für einen veritablen Abschwung in unserem Land schlicht und einfach verpennt. Auch der politische Sekundenschlaf ist gefährlich und hat fatale Folgen. Die Inflationsrate pendelt seit dem Amtsantritt von Scholz und seinen Ampel-Gesellen um eine in der Geschichte der Bundesrepublik historischen Rekordmarke und das Wachstum unseres Bruttoinlandsprodukts pendelt seit dem vierten Quartal 2021 um die null Prozent oder knapp darunter. Die beiden letzten Quartalszahlen weisen mit – 0,5 und jetzt -0,3 Prozent nach den Regeln der Volkswirtschaftslehre eine Rezession aus. Während es in den meisten anderen EU-Ländern offensichtlich wesentlich besser läuft.

Und was tut unsere Ampel-Regierung? Sie streitet um die künftige Ausstattung der deutschen Heizkeller, als hinge die Zukunft Deutschlands und die Rettung des Weltklimas allein von der Wärmepumpe ab. Sie streitet um die Eckdaten des neuen Bundeshaushalts – eine Einigung scheiterte bereits zweimal – und Wirtschaftsminister Habeck hat offensichtlich noch immer keinen Zugang zur Wirtschaftspolitik gefunden. Sein Chef, Bundeskanzler Scholz, verkündete vor etlichen Wochen in einem seiner seltenen Auftritte, er werde eine „konzertierte Aktion zu Bekämpfung der Inflation“ starten. Doch seitdem ist davon nichts mehr zu hören, geschweige denn zu sehen. Die Lohnrunden sorgten einstweilen für steigende Löhne. – Leider wirken auch sie auf die Preise. – Und die Bundesregierung klammert sich ans Klimathema. Die Angst vor der Klimakatastrophe verstellt den „AmpelmännInen“ dabei den Blick für die harte wirtschaftliche Realität. Mögen Scholz, Habeck und Co. von einem „Grünen Wirtschaftswunder“ träumen, der Aufprall auf dem harten Boden der Wirklichkeit ist vorprogrammiert.

Die Staatsschulden steigen getrieben von immer neuen teuren Wohltaten einstweilen weiter in Rekordhöhen. Die Bürger kaufen weniger. Der Binnenkonsum sinkt. Inflation und Zinsen steigen. Das ist ein hoch gefährlicher Mix für jede Volkswirtschaft. Zwar hat die Industrie den Lieferstopp von russischem Gas einigermaßen verkraftet, aber die hohen Energiepreise erschweren es Unternehmen am Standort Deutschland festzuhalten. Die Regulierungswut der Koalition aus Rot, Grün und Gelb tut ein Übriges. Die Gefahr der Deindustrialisierung wächst, während in den USA die Zahl der Industrieunternehmen und vor allem der Technologieunternehmen nicht zuletzt dank einer klugen Wirtschaftspolitik von Präsident Biden steigt. Verlockende Subventionen für innovative Industriebetriebe tun ein Übriges. Vor dem Hintergrund der internationalen Aktionsfelder deutscher Unternehmen wächst die Attraktivität des Standorts USA zusehends, wie die Handelskammern berichten. Die ersten Unternehmen haben bereits die Verlagerung ihrer energieintensiven Produktionsstätten in die Vereinigen Staaten angekündigt.

“It´s the economy, stupid!” – “Es ist die Wirtschaft Dummie!“ Dieser Slogan von 1992 aus dem Wahlkampf Bill Clintons gegen den damals amtierenden US-Präsidenten George Bush könnte bei uns schon bald zu neuer Aktualität finden. Zur Erinnerung: Georg Bush senior hatte Anfang der 90er Jahre den absoluten Gipfel seiner Beliebtheit erreicht. Über 90 Prozent der US-Bürger gaben ihm die höchsten Sympathiewerte. Sein Herausforderer Bill Clinton aus dem eher beschaulichen Little Rock hatte so gesehen keine Chance auf einen Einzug ins Weiße Haus. Doch er nutzte sie! Die Wirtschaftsdaten der USA schwächelten. Die Verbraucherpreise kletterten. Da halfen dem Amtsinhaber die militärischen Erfolge im Irak wenig. „It´s the economy, stupid“ – „Es ist die Wirtschaft, Dummie!“ brachte die Dinge auf den Punkt und Clinton auf die Siegerstraße. 

Die Ampel redet sich die bedrohliche Situation der Wirtschaft schön, indem sie auf die riesigen Investitionen verweist, die der Umbau unserer Energieversorgung auf klimaneutrale Quellen auslösen wird. Doch für diesen Umbau unserer Volkswirtschaft braucht es sehr viel Kapital. Das muss erst einmal verdient werden. Dazu bräuchte es aber Wirtschaftspolitik. Sie findet derzeit aber nicht statt. Daher: „Aufwachen aus den grünen Wirtschaftswunderträumen!“ Träume sind bekanntlich Schäume. „It´s the econmy, stupid!“

“Waagscheißerl” – die FDP in der Klemme

“Waagscheißerl” – die FDP in der Klemme

„Wir sind nicht die größte, aber die wichtigste Partei!“, rief der FDP-Vorsitzende Christian Lindner jüngst den Delegierten des Berliner Parteitags in aller Unbescheidenheit zu. Der Satz soll das Selbstbewusstsein und das Selbstbild der Liberalen in der Ampel-Koalition beschreiben. Weniger vornehm hatte es der unvergessene CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß ausgedrückt. Die FDP, die in den 70er Jahren der SPD die Mehrheit sicherte, obwohl der Stern der sozialliberalen Koalition längst sank, sei eine „Waagscheißerl-Partei“. Für Menschen außerhalb des süddeutschen Sprachraums klingt das besonders derb und abwertend. Dabei beschreibt das Wort „Waagscheißerl“ genau genommen nur die Funktion des kleinen Gewichts, das den Ausschlag gibt, auf welche Seite sich die Waagschale neigt. Was ziemlich treffend die Rolle der FDP in der Geschichte der Bundesrepublik und auch aktuell in der Ampel-Koalition beschreibt. 

Die Liberalen hatten sich von 1969 bis 1982 fest an die SPD und die Kanzler Willy Brandt und Helmut Schmidt gebunden. Damals war die Parteienlandschaft simpler strukturiert. Es gab nur drei politische Kräfte im Bundestag: CDU/CSU, SPD und FDP.  Die Koalition im Bund war die Blaupause für viele SPD/FDP-Bündnisse in den Bundesländern. Wie immer in der Geschichte der Bundesrepublik verschliss sich die Attraktivität mit den Jahren mehr und mehr. Die Mühsal der politischen Alltagsarbeit machte es immer schwerer, die einfache Antwort auf die Frage zu beantworten, warum die sozialliberale Koalition noch einmal gewählt werden sollte. Die Stimmergebnisse fielen immer tiefer in den Keller und in der FDP rumorte es gewaltig. CDU und CSU feierten Wahlsiege. Sie waren deutlich die stärkste politische Kraft im Land und standen Ende der 70er Jahre sogar knapp vor der absoluten Mehrheit bei Bundestagswahlen. Aber die kleine FDP hievte die Sozialdemokraten immer wieder auf die Kabinettssessel. Da dieses Bündnis zementiert schien, wütete Franz Josef Strauß gegen die FDP. Sein bekanntestes Zitat aus dieser Zeit war: „Bei der FDP kann man sich auf eines verlassen, nämlich eine berechenbare Komponente. Ihre Charakterlosigkeit.“ 

Derzeit erinnert einiges in der Ampelkoalition an die Zeit von damals, obwohl die Zeit der Zweierbündnisse gemessen an aktuellen Wahlergebnissen Vergangenheit ist. Unsere alte bundesrepublikanische Parteienlandschaft mit CDU/CSU, der SPD und der FDP als bestimmenden Faktoren aus der Ära Konrad Adenauer hat sich komplett gewandelt. „Jüngere Parteien“ wie die Grünen, die Linke und die AfD geben mit ihren Stimmergebnissen den Ausschlag, wie sich künftig neue Mehrheiten in den Parlamenten gestalten. Trotzdem bleibt der FDP die Rolle als Mehrheitsbeschafferin. Wie Analysen zur Wählerwanderung zeigen, ist sie die deutsche Partei mit der kleinsten Stammwählerschaft aber gemessen an ihrer Verweildauer auf der Regierungsbank die erfolgreichste Partei. Bis auf die Jahre der rot-grünen Regierung Schröder und den Zeiten der großen Koalition unter Angela Merkel saßen immer FDP-Minister in den Kabinetten.

Die Liberalen sind und bleiben eine Funktionspartei. Dazu gehört auch ein gerüttelt Maß an Selbstverleugnung und Opportunismus; – so wie jetzt bei der Umsetzung grüner Verbots- und Bevormundungspolitik. Das Gesetzesvorhaben über die Verbote von Öl-und Gasheizungen gibt dafür ein „gutes“ Beispiel. Olaf Scholz und sein Kabinett verabschieden einstimmig  Robert Habecks Gesetzentwurf, der den Häuslebauern  künftig den Einbau bisher gängiger Heizungen verbieten und sie zum Einbau von Wärmepumpen ab 2024 zwingen will. Zur liberalen Gesichtswahrung geben die FDP-Minister Bedenken zu Protokoll, wohl wissend, dass solche Protokollnotizen ohne Wirkung und nur noch etwas für spätere Forschungsprojekte von Historikern sind. In Juristenkreisen nennt man solche Versuche „form-, frist- und fruchtlos“. Dem FDP-Vorsitzenden Christian Lindner droht aktuell ein weiteres Scheitern. Er muss die Vorlage seiner Haushaltseckdaten erneut verschieben. Wenn die Fronten zwischen ihm und seinen Koalitionspartner(n?) bestehen bleiben, wird er wohl als erster Bundesfinanzminister ohne einen regulären Bundeshaushalt in die Geschichte der Bundesrepublik eingehen.

Für die Liberalen wird die Ampelphase zu einem politischen Alptraum. Selbst wenn sie die Koalition gemäß einer früheren Aussage von Lindner handelten –„Lieber nicht regieren, als  falsch regieren!“ – und das Bündnis verließen, hätte das fatale Folgen. SPD und Grüne verlören ihre Parlamentsmehrheit. Für die SPD bliebe nur die Flucht in eine große Koalition. Dazu müsste sie aber bereit sein ihren Kanzler zu opfern. Denn CDU und CSU wären Stand jetzt schlecht beraten, unter den Bedingungen des Wahlergebnisses von 2021 als Notnagel für Scholzens SPD herzuhalten. Neuwahlen wären angesichts ihrer aktuellen Unfragewerte deutlich attraktiver. Auch wenn die Ampel nicht ausfällt, droht den Liberalen Ungemach mit ihren Wählern. Sie verlöre ihre Funktion als Korrektiv. Die politischen Ziele der Grünen und weiter Teile der SPD führen letztlich zu einer politischen Zwangsbeglückung der Bürgerinnen und Bürger. Das ist einfach nicht mit der liberalen Vorstellung von freien Bürgern kompatibel, die ohne Zwänge ihre Entscheidungen selbst treffen. Die Partei wäre an ihrem Anspruch gescheitert, als Bündnispartner immer das Schlimmste zu verhindern.  Die Fünf-Prozent-Hürde lässt grüßen!

“Don´t point on me”oder Mission ver(Baer)bockt

“Don´t point on me”oder Mission ver(Baer)bockt

Auch wenn sich die Öffentlichkeitsarbeiter von Außenministerin Baerbock noch so mühen. Ihr Besuch in der Volksrepublik China war gemessen an allen diplomatischen Maßstäben eine mittlere Katastrophe.  Das diplomatische Parkett ist bekanntlich glatt. Annalena B. ist darauf ausgerutscht und ziemlich hart aufgeschlagen. Die deutsche Außenministerin galt schon vor ihrem Besuch in Peking als „Anti-China-Ministerin“. Sie hat nichts unterlassen, um diesen Eindruck der chinesischen Regierung zu entkräften. Ihre laute Ankündigung, sie werde dafür kämpfen, dass China seine Haltung in der Ukraine- und in der Taiwanfrage überdenkt, hat nichts bewirkt. Die Antworten ihres chinesischen Amtskollegen waren mehr als deutlich. „Was China am wenigsten braucht, ist ein Lehrmeister aus dem Westen!“ Der Satz von Außenminister Qin Gang ist, gemessen an der sonst üblichen chinesischen Höflichkeit, eine schallende Ohrfeige auf offener Bühne; – unterstrichen noch vom verweigerten Handschlag nach der gemeinsamen Pressekonferenz. Vor dem Hintergrund des vor wenigen Wochen erfolgten Besuches von Bundeskanzler Scholz dürfte die chinesische Führung nicht nur verärgert sondern auch ziemlich irritiert über den offensichtlichen Zwiespalt in der Bundesregierung sein. 

Baerbocks Fan-Club in Deutschland mag über ihre harte Ansprache von Chinas Haltung zum russischen Überfall auf die Ukraine, der Taiwan-Frage, der Menschenrechte und Demokratiedefizite jubeln. Doch täuscht das nicht darüber hinweg, dass sie ihre außenpolitische Mission im Reich der Mitte komplett ver-(Baer)bockt hat. Merke: Außenpolitik folgt nun einmal nicht westlich-, europäischen Moral- und Werte-Kategorien, sondern schon immer dem Prinzip des Pragmatismus. Der ehemalige französische Präsident Charles De Gaulle fasste das in dem bemerkenswerten Satz zusammen: „Staaten haben keine Freunde, nur Interessen!“ 

Ich erinnere mich im Zusammenhang mit der fernöstlichen Gesprächskultur gerne an einen Kollegen beim Bayerischen Rundfunk. Er lebte als Kind und Jugendlicher in Tokio. Als wir zusammen die Internationale Automobilausstellung in Frankfurt besuchten, schauten wir uns auch an den Ständen asiatischer Autohersteller um. Er hatte mir bei unserer Fahrt einiges über die fernöstliche Kultur und die Denkweise der Menschen dort erzählt. Daher wusste ich, wie man ein wenig hinter die Maske der freundlich-höflichen Menschen in Fernost schauen kann. So gilt der Gesichtsverlust, als das Schlimmste, das einem Menschen passieren kann. Ebenso neu war mir, dass Japaner und Chinesen nie „Nein“ sagen, sondern lieber auf ein „schwierig“ oder „kompliziert“ ausweichen, wenn sie ein Ansinnen ablehnen.

Bei meiner ersten Reise nach China einige Jahre später machte ich auf dem Flughafen in Hongkong eine weitere nachhaltig wirkende Erfahrung. Ich war Sprecher der CSU und begleitete Generalsekretär Erwin Huber. Er war eingeladen Shanghai und Hangzhou, eine der chinesischen Provinzhauptstädte, zu besuchen. Unser Flug ging über Honkong nach Shanghai. Wir warteten auf den Weiterflug und einer unserer Begleiter war mit den Tickets zum Checkin gegangen. Doch der Mann hinter dem Counter, ein Chinese, erklärte ihm, dass wir nicht auf der Passagierliste stünden.  Unser Begleiter wurde emotional und zeigte mit dem Finger auf ihn und sagte dabei, dass es sich bei uns um „wichtige Leute“ handle, die in Shanghai erwartet werden. Es sei seine Schuld, wenn wir nicht pünktlich dort ankommen. Der Chinese hinter dem Counter schrie empört „Don´t point on me, don´t point on me!“ Wenig später versuchten Erwin Huber und ich unser Glück. Wir brachten alle Höflichkeit auf, zu der Menschen aus Bayern fähig sind, und erklärten dem Mann, dass sicherlich ein bedauerlicher Irrtum vorliege, da unsere Weiterflüge schon vor unserem Abflug in München bestätigt worden seien. Wir überreichten ihm unsere Tickets, in die wir ein paar Dollarnoten gelegt hatten. Er suchte lange, sehr lange und bemüht in seinem Computer, fand unsere Namen letztlich doch und übergab uns schließlich unsere Bordkarten mir einer angedeuteten Verbeugung. Dieses Erlebnis war für mich ein Lehrstück in Sachen Diplomatie und Auftreten in Fernost. 

Mit Konfrontation erreicht man in China oder Japan weniger als nichts. Helmut Kohl hatte diese Erkenntnis verinnerlicht. Die Frage nach den Menschenrechten tauchte mit schöner Regelmäßigkeit vor unseren Reisen nach China bei den Presse- und Hintergrundgesprächen auf. Werde der Bundeskanzler bei seinen Gesprächen mit der chinesischen Staatsführung auch das „Thema Menschenrechte“ ansprechen? Antwort: „Der Bundeskanzler wird in seinen Gesprächen alle bilateralen Themen ansprechen.“ – ein Satz, der auch bei bohrenden Nachfragen gebetsmühlenartig wiederholt oder in Variationen dargeboten wurde. Von den meisten Journalisten wurde das als Drückebergerei verstanden. Nur einige wenige, die sich dem Thema Außenpolitik verschrieben hatten, ahnten, dass sich hinter dem Statement noch etwas verbarg. Sie wussten, dass der Bundeskanzler Listen von Amnesty International und anderen Menschenrechtsorganisationen bekommen hatte. Helmut Kohl übergab sie in den vertraulichen Gesprächen mit seinen chinesischen Gesprächspartnern. Die Politiker in Peking wussten damit, dass Deutschland das Thema Menschenrechte ernst nimmt. Sie wurden aber nicht auf offener Bühne vorgeführt. In einem Land, im dem der Begriff „Harmonie“ in bester konfuzianischer Tradition großgeschrieben wird, ist diese Art der Gespräche effektiver als Baerbocks Fraktur-Aussagen. Sie klingen zu sehr nach „am deutschen Wesen mag die Welt genesen“, wie Wilhelm II. einst tönte. An ihn hat man in China – Stichwort Niederschlagung des Boxeraufstandes im Jahr 1900! – bekanntlich nicht gerade die besten Erinnerungen.

Ins milde Licht gesetzt

Ins milde Licht gesetzt

Der Bund der Steuerzahler wartet in jedem Jahr mit Vorschlägen für Einsparungen beim Bundeshaushalt auf. Mitunter findet man dann auf der Website der Organisation (steuerzahler.de) ein enthüllendes Kleinod, das aus dem üblichen Zahlenspiel herausragt. Aktuell berichten die „Lobbyisten“ der Steuerzahler über die wachsende Beliebtheit eigener Fotografen und Visagisten bei den Mitgliedern der Bundesregierung. Sie ist offenbar bei den Ampel-Ministern weit verbreitet. Soweit sich die Ministerien nicht ausschwiegen, beläuft sich die  Honorarsumme für eigene Fotografen und Visagisten in Diensten der Kabinettsmitglieder im ersten Regierungsjahr der Ampel auf rund 1,5 Millionen Euro. Damit haben sie rund 80 Prozent mehr Honorare ausbezahlt, als zu Zeiten von Bundeskanzlerin Merkel. Spitzenreiterin des Jahres war dabei Außenministerin Baerbock. Das von ihr geführte Auswärtige Amt zahlte 2022 rund 137.000.- Euro für die Dienste einer Visagistin. Auch Robert Habeck beschäftigt laut einer Antwort auf eine kleine Anfrage im Bundestag einen eigenen Fotografen, damit er vor den Wählern stets in einem milden Licht und dem richtigen Blickwinkel erscheint.

Vor dem Hintergrund der gesamten Ausgaben der Bundesregierung für die Öffentlichkeitsarbeit sind 1,5 Millionen Euro nicht das größte Stück aus dem Etat-Kuchen. Es weist aber auf einen interessanten Trend hin. Die Politiker von Rot, Grün und Gelb haben offenbar verinnerlicht, was der Begriff „die Macht der Bilder“ in der Zeit von Facebook, Twitter, Instagram und Co. bedeutet. Auch in meiner Amtszeit als Chef des Bundespresseamts, achteten die Mitarbeiter und ich bei den Fototerminen des Bundeskanzlers auf die „Kulisse“, doch von Inszenierungen waren wir in den 90er-Jahren noch weit entfernt.  Mein persönlicher, selbst erlebter „Gipfel der Inszenierung“ war ein zufälliges Zusammentreffen mit dem damaligen französischen Staatspräsidenten Jaques Chirac im Waschraum einer öffentlichen Toilette im Konferenzzentrum von Avignon. In dieser Stadt hatten die alljährlichen deutsch-französischen Regierungskonsultationen stattgefunden. Während ich mir die Hände wusch, stand der Präsident vor dem Spiegel des Waschbeckens nebenan, kämmte sich und legte ein wenig Makeup auf, um die Spuren ein wenig zu kaschieren, die eine mehrstündige Sitzung auch auf Präsidentengesichtern hinterlassen. 

Bundeskanzler Helmut Kohl fehlte dagegen jede Form von Eitelkeit. Visagisten waren bei ihm arbeitslos und Fotografen empfand er meistens als lästig. Nach jeder internationalen Konferenz, egal wie lange sie dauerte und wie anstrengend sie war, etwa bei Nachtsitzungen der EU-Staats-und Regierungschefs, kam er zu mir mit dem Satz: „So Staatssekretär! Jetzt kannst Du Deiner Kundschaft sagen, dass der Bauer wieder zu ihnen kommt.“  Und wir gingen zur Pressekonferenz. Damit spielte er darauf an, dass ihn die meisten Journalisten gerne in die Schublade „Provinzler“ stecken wollten. Was sich allerdings spätestens in den Jahren nach 1990, dem Jahr der Deutschen Einheit, grundlegend geändert hatte.

Auch Helmut Kohl ahnte, wie wirkungsvoll Bilder sein können. Eine kleine Episode bewies ihm endgültig wie stark und mächtig Bilder sein können. Bei einem Gipfeltreffen der NATO in Madrid, standen wir morgens im Hotel-Foyer um auf die Abfahrt zum Tagungszentrum zu warten, die vom Ausrichter protokollarisch geregelt wurde. Jemand in der Runde warf eine witzige Bemerkung in den Smalltalk und wir lachten. Wir das waren Bundeskanzler Helmut Kohl, Bundesaußenminister Klaus Kinkel, Verteidigungsminister Volker Rühe und ich. Am folgenden Wochenende hatte ich frei und war nach München zu meiner Familie gereist. Samstags ging ich wie immer zum Einkaufen. Die Verkäuferin an der Käsetheke sagte zu mir: „Jetzt hab´ ich Sie und den Herrn Bundeskanzler in Madrid gesehen. Das war ja ein Riesenerfolg.“  Ich fragte, ob sie sich für Außen- und Sicherheitspolitik interessiere. Sie antwortete: „Nein, aber sie waren so guter Laune!“ Da war sie wieder, die Macht der Bilder. Am Montag in der sehr frühen täglichen Sitzung des so genannten Küchenkabinetts meinte Helmut Kohl mit Blick auf mich: „Ich ziehe jetzt nur noch mit Dir lachend durch Bonn!“ Er hatte am Wochenende zuhause ähnliche Erlebnisse wie ich gehabt. 

Sie waren ein Beweis dafür, dass Bilder stärker wahrgenommen und mitunter die Wahrnehmung von Inhalten blockieren. Egal was der NATO-Gipfel beschlossen hatte und egal was die Journalisten inhaltlich berichteten, – die Fernseh-Zuschauer schlossen aus den Bildern einer fröhlichen Runde, dass die Herren einen Grund dem Lachen hatten und das konnte nur ein Erfolg beim Gipfeltreffen der NATO-Staaten sein. Die Bilder wirkten stärker als jeder Inhalt. 

Dieses Phänomen hatte bereits Neil Postman in den 80er Jahren in seinem bekannten Buch „Wir amüsieren uns zu Tode“ beschrieben. Darin kritisierte er besonders heftig das Fernsehen. Seine wachsende Bedeutung in der Medienwelt ende in einer Guck-Guck-Welt, in der jede Nachricht nur noch als Unterhaltung wahrgenommen wird.

Die Ampel scheint Postmans Buch und die Wirkung von Bildern verinnerlicht zu haben. Egal was sie beschließt, wichtig sind nur die Bilder, die sie in ein mildes Licht tauchen, damit sie von den Menschen der Guck-Guck-Gesellschaft positiv wahrgenommen werden.

Fehlbesetzung auf Ludwig Erhards Stuhl

Fehlbesetzung auf Ludwig Erhards Stuhl

„Wo ist Ludwig Erhard?“ Diese Frage stellen sich viele Besucher des Bundeswirtschaftsministeriums seit dem Amtsantritt von Robert Habeck. Die Ahnengalerie des Ministeriums in der die ehemaligen Wirtschaftsminister bildlich verewigt sind und der Übervater der Sozialen Marktwirtschaft besonders prominent hervorgehoben war, ist verschwunden. Die Bilder wurden, so die Auskunft, aus dem Eingangsbereich an einen anderen Ort im Ministerium verbracht. Ist das nun ein Signal, für einen Neubeginn in der Wirtschaftspolitik, die mit traditionellem Denken brechen will? Oder erträgt der neue Amtsinhaber den strengen Blick von Ludwig Erhard nicht?

Eigentlich hätte Habeck genügend Themen die er beackern müsste, – von der lahmenden Konjunktur mit einem Mini-Mini-Wachstum, der Inflation in Höhen, wie sie die Deutschen seit dem Kriegsende nicht mehr erlebt haben und, und, und …… Für Schlagzeilen sorgt er aber vor allem mit Plänen zu einem nationalen Umbau in den Heizungskellern der Häuslebesitzer und seinem Lieblingsthema „Windräder“.  Dabei gehen seine Pläne deutlich am Willen der Mehrheit der Bundesbürger vorbei. Sie lehnen Habecks aufgezwungene Energiewende ab, die er mit einem Mix aus Fristen, Verboten, Geldstrafen und Subventionen erreichen will.  Besonders suspekt sind in diesem Zusammenhang die Zuschüsse für den Umbau und Neueinbau der neuen Heizsysteme. Der Minister spricht von Geld für die Betroffenen, schweigt aber darüber, wo das Geld dafür in einer Zeit, in der die Zeichen auf einen Sparkurs des Staates hindeuten, herkommen soll.

Die politische Bilanz des Kinderbuchautors auf dem Sessel Ludwig Erhards schaut jedenfalls nicht ermutigend aus. Viele Versprechungen keine Taten!  Die Unzufriedenheit der Wirtschaft wächst, die in Habeck keinen echten Ansprechpartner für ihre Probleme findet. Deshalb lautet eine der zurzeit meistdiskutiertesten Fragen: „Wieviel wirtschaftlichen Schaden wird ER noch anrichten?“ Mit „ER“ ist der aktuelle Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck gemeint.  Er startete mit großen Vorschusslorbeeren und ist jetzt auf gutem Weg Deutschlands verhasstester Minister zu werden. Die Urteile über die Politik des grünen Ministers schwanken je nach Gusto und dem Grad der Nächstenliebe zwischen „Ökodiktatur“, „planloser Planwirtschaft“ und „Regulierungswut“. 

Ich habe Habeck vor drei Jahren einmal bei einer Diskussionsveranstaltung an meinen Wohnort erlebt. Der Saal im Bürgerhaus war gut gefüllt. Die Zuhörer entstammten überwiegend dem saturierten Bürgertum – das man für gewöhnlich „bürgerlich liberal“ nennt. Während seines Vortrags wanderte er herum und vermittelte den Teilnehmern, die sonst in politischen Veranstaltungen Frontbeschallung gewohnt sind, mit seiner Rhetorik ein völlig neues Gefühl von Politik. Nachher war man sich einig. „Dieser Mann ist zwar ein Grüner, aber kein engstirniger Ideologe, sondern ein Pragmatiker, mit dem man leben könnte!“  Doch das war ein Irrtum. Der Praxistest zeigt eindeutig: Habeck ist ein von grüner Ideologie getriebener Politiker. Er ist der erste Wirtschaftsminister auf dem Stuhl von Ludwig Erhard, der mit den Prinzipen der Sozialen Marktwirtschaft bricht. Kritik ignoriert Habeck ebenso gerne, wie den erklärten Wählerwillen. Gerne schwurbelt er an den Argumenten vorbei. Jetzt überraschte der Mann, der sich gerne Philosoph nennen lässt, das Publikum mit einem ziemlich demokratie- und philosophiefremden Satz. Laut Deutschlandfunk sagte er: „Verbote sind die Bedingungen für Freiheit.“  Das ist ein Satz, wie aus dem Wörterbuch des Unmenschen. Er könnte gut auch von Erich Honecker oder Wladimir Putin stammen. 

Dirigismus statt Marktwirtschaft?  Ist das die Zukunft? Etliche Unternehmen wollen nicht auf die Antwort warten. Jedes zehnte Unternehmen aus den Bereichen Automobilbau, Chemie und Maschinenbau plant, seine Produktion oder Teile davon ins Ausland zu verlegen. Das geht aus einer Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer -DIHK- hervor. Einer der gewichtigsten Gründe dafür sind die gewaltigen Energiekosten in Deutschland. Es fehlt an günstigem Industriestrom. Im Vergleich zu Wettbewerbern aus den USA müssen deutsche Unternehmen einen fünfmal höheren Preis für ihren Strom bezahlen. Auch innereuropäisch wird der Wettbewerb durch die Strompreise verzerrt. So müssen deutsche Unternehmen zum Beispiel mit viermal höheren Strompreisen leben als Betriebe in Frankreich. Das schwächt die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen.

Daneben fehlt es an der Planungssicherheit. Ein Beispiel dafür ist die Autoindustrie. Die meisten von ihnen wollen die Zukunft nicht alleine auf die Produktion von Elektroautos aufbauen. Sie propagieren die „Technologieoffenheit“. Das große Thema dabei ist der Wasserstoff. Er könnte zukünftig die bisherigen Treibstoffe ersetzen. Bedenkt man einmal die Laufzeit der derzeit vorhandenen Fahrzeugflotte käme die von allen Klimaschützern geforderte „Dekarbonisierung“ damit wohl schneller in die Gänge als mit Hilfe des Umbaus unserer nationalen Energieversorgung auf erneuerbare Quellen und vor allem auf Wind- und Solarstrom.

Doch Habeck wirft der Autoindustrie Knüppel zwischen die Füße. Auf sein Geheiß bekommt Wasserstoff nur dann das grüne Siegel, wenn er mit Hilfe von Wind- und Solarenergie erzeugt wird. Im Ergebnis sorgt der Bundeswirtschaftsminister damit in Verbindung mit dem Verbot neuer Benzin- und -Dieselfahrzeugen für knappen neuen Treibstoff und hohe Preise. Dabei könnte er mit Hilfe des Emissionshandels seine Ziele auch auf marktwirtschaftlichem Weg erreichen. Wenn man dem renommierten Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung glauben darf, würde dies sogar besser und schneller funktionieren als Verbote und Zwang. 

Dazu kommen die Habeckschen Widersprüchlichkeiten. In diesen Tagen werden die Atomkraftwerke „unwiederbringlich abgeschaltet“, so der Wirtschaftsminister. Er setze nur um, was eine Unionsgeführte Regierungskoalition 2011 beschlossen hat. Das stimmt, aber die Zeitläufe fordern mitunter ein Umdenken. Die mangelnde Logik in seinem Denken fallen auf.  Wenige Tage zuvor hatte er bei einem Besuch in der Ukraine noch davon gesprochen, wie richtig es sei, dass dort Atomstrom verwendet werde. Weil die Kernkraftwerke schließlich gebaut worden seien.  

Doch zu Klarheit und Stringenz ist der Grüne nicht in der Lage. In Deutschland wird er die Energieversorgung absehbar mit mehr Strom aus Kohlekraftwerken in Gang halten – obwohl das nicht nur rein ökologisch gesehen ein riesiger Fehler ist. Auch die Kosten dafür liegen weit über den Kosten für Atomstrom, weil der größte Anteil der verfeuerten Kohle aufwendig importiert werden muss, wie auch das Gas für die Heizungen in Deutschland. Deutschland könnte auch auf eigene Ressourcen zurückgreifen, aber das würde das ideologische, grüne Idyll beeinträchtigen. In der Folge werden die Energiepreise daher weiter explodieren. Jedes Grad Wärme in der Wohnung wird mehr und mehr zum Luxus.  Wer früher mit seiner neuen Luxuskarosse angab, wird künftig mit dem eingestreuten Hinweis protzen: „In meinem Haus ist es immer wohlige 21 Grad warm!“ Der Neid der Normalbürger ist ihm sicher.

Die deutsche Urangst

Die deutsche Urangst

Jeder Junge, der schon einmal alte Münzen und Geldscheine gesammelt hat, stolperte in seinem Sammlerleben zwangsläufig einmal über Banknoten der deutschen Reichsbank mit aufgedruckten Millionen- und Milliarden-Werten. Die Geldscheine sind die letzten -wenn auch stummen – Zeitzeugen einer Hyperinflation, die sich vor einhundert Jahren – in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts -besonders krass in Deutschland breitmachte.  

Schon Ende 1921 wurden allerorten in Deutschland enorme Preissteigerungen beklagt, die die Deutschen beim Einkauf verkraften mussten. So kostete die Weihnachtsgans damals 25 Mark pro Pfund. Vor dem Ersten Weltkrieg mussten die Kunden dafür nur 1,50 Mark zahlen. Doch das war nur der Anfang einer Inflation, die viele Deutsche in Armut und sozialen Abstieg stürzte. Am Ende waren Milliarden und Billionen gängige Summen beim täglichen Einkauf. So kostete die Weihnachtsgans zwölf Monate später- im Dezember 1922 – pro Pfund eine Billion Mark! Im Jahr darauf – Dezember 1923 – erreichte die Hyperinflation eine Teuerung von unglaublichen 182 Milliarden Prozent.

Diese Zeit hat sich tief in das kollektive Gedächtnis der Deutschen eingebrannt, nicht zuletzt, weil sie eine große Stufe auf dem Weg der Nazis zur Macht und in die von ihnen ausgelöste Menschheitskatastrophe des Holocausts und des Zweiten Weltkrieges bildete. Noch heute wirkt sie nach. Es wundert deshalb nicht, dass in die Inflation in aktuellen Umfragen als Sorgenthema Nummer Eins genannt wird.

Jetzt 100 Jahre später leben wir wieder in einer Zeit, in der die Preise Laufen lernen. Seit gut einem Jahr leben wir Deutschen mit einer Inflation, die viele Menschen an den Rand des sozialen Abstiegs bringt. Wer es nicht glaubt, sollte ab und zu einmal bei den großen Lebensmitteldiscountern einkaufen und dabei in die Einkaufswagen schauen. Sie zeigen ein realistisches Bild der Situation. Die Teuerung zwischen 8 und 10 Prozent zerrt nicht nur beim täglichen Einkauf, sondern auch beim Tanken und Heizen gewaltig am Geldbeutel der Verbraucher. Nur der Staat ist derzeit auf der Gewinnerseite, weil er durch die Mehrwertsteuer von steigenden Preisen profitiert. 

Unsere aktuelle Situation lässt sich zwar nicht mit der damaligen monströsen Hyperinflation vergleichen. Der Versailler Vertrag, der Deutschland unendlich hohe finanzielle Lasten aufbürdete ist längst Geschichte. (- auch wenn die letzte Rate der Reparationszahlungen erst in den 80er-Jahren dieses Jahrhunderts von der Bundesrepublik bezahlt wurde.)  Keine fremde Militärmacht hat unser Industriezentrum besetzt. So wie es Frankreich tat, als seine Truppen das Rheinland und das Ruhrgebiet im Januar 1923 besetzten.  Damals konnte Deutschland die hohen Reparationszahlungen nicht mehr stemmen. Die Kassenlage war durch die Zahlungen an Kriegsversehrte, Kriegswaisen und Witwen ohnehin bereits angespannt. Berlin rief zum Generalstreik an Rhein und Ruhr auf und die Staatskasse sollte zusätzlich die Finanzhilfen für die die Streikenden leisten.  Das war der Turbo für die damalige Geldentwertung. Die Staatskasse war leer. In dieser Notlage wurden Gelddruckmaschinen angeworfen. Die Geldmenge wuchs ins Unermessliche und die Mark wurde im gleichen Maße wie die Geldmenge wuchs schwächer und schwächer.

Das ist Geschichte! Doch die Mechanismen einer Inflation gleichen sich. Egal ob die Inflation in der 70er Jahren, als Helmut Schmidt den fatalen Satz sprach, wonach fünf Prozent Inflation zu verkraften sei, aber keine fünf Prozent Arbeitslose in der Bundesrepublik. Am Ende hatte er von beidem mehr. Die Lohn-Preis-Spirale beschleunigte die Teuerung. Die anwachsenden Staatsschulden tat ein Übriges. 

Inflationsphasen gehen immer mit Schwächephasen der Wirtschaft einher – also wie jetzt. Die Unternehmen leiden unter hohen Energiekosten, Steuern und immer weiter wuchernden staatlichen Regulationen. Das lähmt das Wirtschaftswachstum. Für gewöhnlich dauerten die Phasen drei bis vier Jahre.

Das trifft auf unsere derzeitige Situation eins zu eins zu. Die aktuellen monatlichen Inflationsraten sind die höchsten in der Nachkriegsgeschichte Deutschlands. Der Einkauf für die Familie und das Tanken haben sich 25 -35 Prozent verteuert. Jeder fünfte Erwerbstätige hat keine finanziellen Spielräume mehr. Vor allem Familien und Alleinerziehende mit geringem Einkommen führen ein Leben an der Grenze zum sozialen Abstieg. Da sind auch Heizkostenzuschüsse von 100.- Euro je Kind nur ein Tropfen auf den heißen Stein, – und das Wohngeld stößt schnell an seine (Einkommens-)Grenzen. Uns werden aktuell gnadenlos die Lücken unseres starren Sozialsystems aufgezeigt. 

Dazu kommt ein rekordverdächtiges Plus bei den Staatsschulden. Der Schuldenberg des Staats hatte zwischen 1949 und 2019 die Höhe von knapp 1,3 Billionen Euro erreicht. Die so genannten Sondervermögen für die Ausrüstung der Bundeswehr und den Wirtschaftsstabilisierungsfonds plus die Nettokreditaufnahme für die Bundeshaushalte 2020 bis 2023 lassen den Schuldenberg auf dann weiter rasant in die Höhe wachsen. Die Ampelkoalitionäre verstehen aber etwas vom Verkaufen. Der Name „Sondervermögen“ klingt positiv ist aber nur ein Euphemismus. Diese „Vermögen“ sind nur die Ermächtigung, zusätzlich neue Schulden in Höhe von 300 Milliarden Euro außerhalb des regulären Bundeshaushalts aufzunehmen. Damit umschifft der Bund die Schuldenbremse der Verfassung.  Werden die so genannten „Vermögen“ ausgeschöpft, wächst der Schuldenberg auf  gigantische 2147,1 Milliarden.

Bisher konnte das Schuldenmanagement des Bundes die Zinslasten für den Staat erträglich machen. Die Manager der Finanzlöcher schichteten alte Staatsanleihen mit höheren in neue mit niedrigen Zinsen um. Wegen der guten Bonität Deutschlands konnte der Bund sogar Anleihen mit null Zinsen oder Minuszinsen auf dem Geldmarkt platzieren.  Die Zeiten in denen man darauf setzen konnte, durch ein geschicktes Schuldenmanagement langsam aus den Schulden herauszuwachsen sind vorbei. Die europäische Zentralbank -EZB- ist aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht und hebt den Leitzins kontinuierlich an. Über den Schuldenberg ziehen dunkle Wolken auf. Die Zinslast wird die politischen Gestaltungsspielräume stark einengen. Die Zinsen werden den Anteil der konsumtiven Ausgaben weiter ausdehnen. Neue Projekte in der Sozial- und Wirtschaftspolitik werden erschwert. Die Ampelphase wird teuer.

“Si vis pacem, para bellum” – Wenn du Frieden willst, rüste Dich für den Krieg! (Cicero)

“Si vis pacem, para bellum” – Wenn du Frieden willst, rüste Dich für den Krieg! (Cicero)

Zeitzeugen sind bekanntlich echte Plagegeister für Historiker. Denn sie wissen, wie es wirklich war. Diese Erkenntnis stammt von Theo Waigel, dem langjährigen Bundesfinanzminister in der Ära Helmut Kohl und Nachfolger von Franz Josef Strauß im Amt des CSU-Vorsitzenden. Gesagt, als ihm, der den ersten Vertrag über die Schaffung einer Wirtschafts- und Währungsunion mit der DDR ausgehandelt hatte, wieder einmal jemand erklären wollte, wie das denn „wirklich war“ mit der Deutschen Einheit und der friedlichen Revolution in der damals noch existenten DDR. 

Wie unterschiedlich das ist, was „wirklich ist“, davon konnte sich jeder ein Bild machen, der am letzten Wochenende die Demonstration der Anhänger von Alice Schwarzer und Sarah Wagenknecht verfolgte. Er musste dabei staunend beobachten, wie sich pazifistische Gesinnung von Links mit den Aussagen rechter, nationalistischer Putin-Versteher trafen und wie schwer die Abgrenzung für die beiden Protagonistinnen gegenüber den Rechten wurde. Nun ist es sehr verständlich, wenn man das Ende des Krieges in der Ukraine auf dem Verhandlungsweg fordert. In einer Demokratie gibt es nun einmal unterschiedliche Vorstellungen auch darüber, wie Frieden erreicht werden kann. Schwierig nur, wenn das bedeutet, dass ungeachtet aller Folgen ein Frieden auf Kosten der Ukraine und ihrer Menschen hergestellt werden soll. Ganz und gar unerträglich wird es allerdings, wenn das Mitglied der Linken, Frau Wagenknecht vor dem Hintergrund der Bilder von zerbombten Wohnhäusern, unzähligen toten Zivilisten und Soldaten und zahlreicher Kriegsverbrechen Vertreibungen, Vergewaltigungen und Verschleppungen, achselzuckend sagt, das wäre eben „in jedem Krieg so“.   Ungeachtet der Einschätzung von UN-Institutionen, wonach Vergewaltigungen von ukrainischen Frauen Teil der russischen Militärstrategie sind. So geschehen in der TV-Talk-Sendung „Hart aber fair“ in dieser Woche. Da ist die Distanz zu den rechten Putin-Verstehern und -Apologeten, die die USA als wahren Schuldigen für den Krieg in der Ukraine sehen, nicht mehr vorhanden.

Eine Rede Theo Waigels anlässlich einer Gedenkstunde zum ersten Jahrestag des russischen Einmarsches in die Ukraine vom Wochenende ist in diesem Zusammenhang ein wohltuendes Stück Sachlichkeit in einer hitzigen Debatte. Der ehemalige CSU-Vorsitzende erinnerte daran, dass ein Krieg nicht ohne Rücksicht auf die Interessen einer angegriffenen Nation beendet werden dürfe. Ein Staat sei verpflichtet, seine Bevölkerung vor Unrecht und Unterdrückung zu schützen. Nur wenn der Aggressor begreife, dass die Rückkehr zum Völkerecht und dem Ausgleich mit anderen Nationen lohnender ist, als ein „grausamer Krieg mit seinen furchtbaren Verlusten“, könne es einen „Waffenstillstand und erfolgsverspechende diplomatische Gespräche“ geben. 

In seiner Rede räumte Theo Waigel gründlich mit der von Links wie Rechts gerne verbreiteten Legende auf, der Westen trage eine Mitschuld am Krieg in der Ukraine. So hätten Deutschland und Frankreich noch 2008 den NATO-Beitritt der Ukraine verhindert, um den von Moskau propagierten eigenen Sicherheitsinteressen Rechnung zu tragen. Das habe „Putin aber nicht davon abgehalten, seine „hemmungslosen Machtpläne Schritt für Schritt“ umzusetzen. Putins Blutspur reiche von Tschetschenien, Georgien, Belarus bis nach Syrien.   

Der ehemalige Bundesfinanzminister zeichnete den Weg des heutigen russischen Präsidenten von der von Russland betriebenen Auflösung der UdSSR im Dezember 1991 in Alma Ata und den Versuch, Russland in eine neue friedliche Staaten-Ordnung nach dem Ende des Kalten Krieges, einzubinden, bis zum Ukrainekrieg nach. Wie andere Sowjetrepubliken war auch die Ukraine damals ein souveräner Staat geworden. 

Putin, der den Weg des russischen Präsidenten Boris Jelzin eng begleitete, hatte damals alle Vereinbarungen mitgetragen. Als Nachfolger Jelzins setzte er später „alle Instrumente und Institutionen der Kooperation zwischen Russland und der Europäischen Union aus. Als Beispiele nannte Waigel den EU-Nachbarschaftsdialog und den NATO-Russland-Rat. Auch der Beitritt von Ländern des ehemaligen Ostblocks zur NATO war entgegen anderer Behauptungen mit Russland und seiner Führung abgesprochen worden. 1994 habe Russland einen völkerrechtlichen Vertrag mit der Ukraine geschlossen, in dem die Krim endgültig der Ukraine zugeordnet wurde. Die Krim war schon 1954 – noch zu Zeiten der Sowjetunion – von Nikita Chruschtschow, dem damaligen Staatschef, der Ukraine zugeschlagen worden. Im Gegenzug übergab das Land die auf ihrem Territorium gelagerten Atomwaffen an Russland. Russland konnte laut Vertrag noch Marinestützpunkte nutzen.

Spätestens bei der völkerrechtswidrigen Besetzung der Krim durch Putins Tarnarmee der „grünen Männer“ hätte Europa aus dem Traum des immerwährenden Friedens nach dem Ende des Kalten Krieges aufwachen müssen. Warner gab es im Baltikum und in Polen genug. Sogar noch zwei Tage vor dem Einmarsch von Putins Truppen in die Ukraine, gab es noch Stimmen, wie die von Sarah Wagenknecht. Obwohl Russland den Grenzen zur Ukraine bereits seine Invasionsarmee aufstellt behauptete die Linken-Politikerin: „Russland hat faktisch kein Interesse in die Ukraine einzumarschieren.“ Es sei auch falsch Putin als „durchgeknallten Nationalisten“ darzustellen. „Wenn das so wäre, dann wäre wahrscheinlich Diplomatie hoffnungslos verloren.“  Der letzte Satz klingt wie eine Prophezeiung. Leider erinnert sich Frau Wagenknecht nicht mehr daran und fordert jetzt die Einstellung der Waffenlieferung des Westens an die Ukraine und Verhandlungen.

Die traurige Erkenntnis aus dem Ukrainekonflikt lautet, wie Theo Waigel in seiner Rede ausführte, dass es Sicherheit und Frieden ohne ausreichende militärische Stärke der NATO nicht gibt.  Vor dem Hintergrund dieses Krieges mitten in Europa und der Diskussionen und des Gezerres um die Verteidigungsausgaben Deutschlands bekommt der Satz „si vis pacem, para bellum – Wenn Du Frieden willst, rüste Dich für den Krieg!“ drängende Aktualität. Er stammt von Marcus Tullius Cicero. Gesprochen vor dem römischen Senat in einer flammenden Rede gegen Marcus Antonius im Jahr 43 vor Christi Geburt.

Vom Schrödern und Scholzen

Vom Schrödern und Scholzen

Es gibt Politiker, die sich mit markanten Sätzen in den Geschichtsbüchern verewigen, so wie John F. Kennedy mit dem Satz: „Frage nicht, was Dein Land für Dich tut, sondern, was Du für Dein Land tun kannst.“ Auch der Satz „Wir schaffen das!“ wird lange mit der Regierungszeit von Altkanzlerin Angela Merkel verbunden bleiben. Manche Politiker bringen es noch zu einer Fußnote in den Annalen.  Vielen Politikern ist aber auch das nicht vergönnt. Einige dürfen sich damit trösten, namentlich Bestandteil des Wortschatzes geworden zu sein.

So zum Beispiel der russische Außenminister Sergei Lawrow. Er hat es ins „Oxford Dictonary of current English“ geschafft. Dort steht das Wort „lavrovism“ für eine offensichtliche, dreiste Lüge, die durch ständige Wiederholung zur Wahrheit pervertiert werden soll. Dass es nicht bei Substantiven bleiben muss, sondern Namen auch zu Verben werden können, zu „Tätigkeitswörtern“, wie das noch zu meiner Volksschulzeit (Gibt es heute nicht mehr!) hieß, beweisen zwei Beispiele aus Deutschland. Sie zeigen, dass man nicht zu den Dichtern und Denkern gehören muss, um den Wortschatz zu bereichern.

Comicfreunde kennen das von den Schlümpfen, den blauen Zwergen, des belgischen Zeichners und Autors Peyo. Bei ihnen ist „schlumpfen“ ein Ersatz für allerlei Verben, wie basteln uä. Gerhard Schröder war einer der wenigen, die es hierzulande erreichten, den eigenen Namen in ein Verb zu verwandeln. Sie erinnern sich noch an den Altkanzler, der es geschafft hat, unter Auslassung der Station des „Elder Statesman“ den Status des Paria zu erreichen? Das Wort „schrödern“ steht für ein sprachliches Verhalten, das sich durch einen äußerst selbstbewussten Sprachstil auszeichnet, der stets nahe am Präpotenten und Überheblichen wandelt. So ist die Mahnung „Schröder hier nicht so rum!“ nicht nur in den Ortsvereinen der SPD zuhause.

Sein Nach-Nachfolger Olaf Scholz hat es sogar in der Rekordzeit von nur sechs Monaten Amtszeit geschafft, das Wort „scholzen“ im Sprachschatz der Deutschen zu verankern. Sein Sprachstil zeichnet sich vor allem durch eine gewisse Inhaltsleere aus. Ein Autor der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hat ihn jüngst mit dem ebenso schönen wie treffenden Sprachbild charakterisiert, Scholzens Sätze seien, wie „in Watte gemeißelt“. Dabei wirkt unser aller Kanzler bei seinen Auftritten immer völlig emotionslos und vor allem wenig empathisch, wie sein jüngster TV-Auftritt bei RTL offenbarte, als er den Fragern mitteilte, dass ihn das Geschehen in der Ukraine tief berühre. Leider unterstrichen weder Stimmlage noch Mimik diese mitfühlig gemeinte Aussage.  Normale Menschen ordern in dieser Tonlage 100 Gramm Salami in der Metzgerei. 

Sicherlich muss man auch Olaf Scholz zubilligen, dass man Politik gerade in Krisenzeiten besser mit einem kühlen Kopf statt mit einem heißen Herzen betreibt. Aber das Wahlvolk giert gerade in Zeiten von Krieg und Inflation nach einer Portion Empathie ihres Regierungschefs. Da lassen Reden nach dem bekannten Spruch „Ich sag nicht so oder so. Sonst sagen die Leute, ich hätte so oder so gesagt.“ kein Wohlgefühl aufkommen. Auch das spiegelt sich in den letzten Wahlergebnissen der SPD wider.

Der Scholzomat oder das Schweizermesser der Politik

Der Scholzomat oder das Schweizermesser der Politik

Helmut Schmidt schwört, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden, dazu ein Bild des Ex-Kanzlers mit erhobener Schwurhand. So beginnt der TV-Spot der SPD für die Bundestagswahlen. Dann kommt Olaf Scholz. Das Werbefilmchen soll den Wählern subtil den Wiedergänger des „Machers“ zeigen, der unser Land von 1974 bis 1982 als Regierungschef führte. Scholz der Erbe Schmidts!

Dabei lebte Schmidt politisch vor allem vom Image des Machers und Krisenmanagers. Obwohl er sich gerne als der! Weltökonom schlechthin darstellte, blieb seine Bilanz deutlich hinter den von ihm geweckten Erwartungen zurück. 

„Lieber fünf Prozent Inflation als fünf Prozent Arbeitslose!“ hatte Schmidt in seinen Regierungsjahren mit Blick auf die ständig steigenden Arbeitslosenzahlen und einer sich immer schneller drehenden Preisspirale verkündet. In der Tat musste der Hanseat während seiner Amtszeit nicht mehr auf eine Arbeitslosenquote von fünf Prozent und eine ebenso hohe Inflationsrate schauen. Sie lagen höher. Die Quote der Arbeitslosen stieg in Schmidts Amtszeit von 4,2 Prozent auf zeitweise über 9 Prozent und die Inflation trabte in den Jahren seiner Regierungszeit munter weiter – immer über 5 Prozent. Heute würde die Zeitung mit den gaaanz großen Buchstaben, die so gerne vehemente Kritik an den Regierenden übt, von einem klaren Regierungsversagen sprechen. 

Damals wollte aber niemand ernsthaft am Lack des glänzenden Helden aus Hamburg kratzen.  Und so dient Helmut Schmidts glorifizierte Amtszeit heute dem Kanzlerkandidaten der SPD als Polierpaste für sein Image.  Er zieht scheinbar unaufgeregt und entspannt durch die Lande und die TV-Sender. Der „Scholzomat“, der das Publikum mit seiner leiernden Diktion und seinen Worthülsen langweilte, ist passé. Der ehemalige Bürgermeister der Hansestadt Hamburg zeigt die Merkel-Raute, um den Wählerinnen und Wählern zu demonstrieren, dass er auch der legitime politische Erbe der Bundeskanzlerin ist. 

Das Konzept der Wahlkampagne funktioniert ausweislich der aktuellen Meinungsumfragen besser als die Genossen dachten. Die Wählerinnen und Wähler fragen sich geblendet von so viel Glanz nicht einmal, warum ein Mann, der nicht gut genug war, Vorsitzender der SPD zu werden, gut genug sein soll, Bundeskanzler zu werden.  Doch Vorsicht, wenn sich das Wahlvolk zu einem zweiten, genaueren Blick auf den Kanzlerkandidaten bequemt. Der zeigt nämlich etliche Fragezeichen, die sich im Laufe seiner Zeit als Politiker, in den Lack seiner gerade erst aufpolierten Erscheinung gekratzt haben. 

So kämpfte der junge Scholz in seiner Zeit bei den Jusos vehement gegen das große Finanzkapital und forderte als Vertreter des so genannten Stamokap-Flügels „die Überwindung der kapitalistischen Ökonomie“. Aus dieser Zeit wird eine hübsche Begebenheit überliefert. Willi Piecyk, Juso-Bundesvorsitzender in den 80er Jahren, fragte seinen Stellvertreter Olaf Scholz einmal, warum es zwischen den beiden eigentlich immer krache. Darauf soll Scholz ihn angebrüllt haben: „Weil Du den Kapitalismus nicht so sehr hasst wie ich!“  Auf seine damaligen Positionen angesprochen, antwortet Scholz heute meist, er könne über den „fachlichen und sachlichen Schwachsinn“ von damals nur lachen – frei nach Winston Churchills bekanntem Zitat: „Wer mit 20 Jahren kein Kommunist ist, hat kein Herz. Wer mit 30 Jahren noch Kommunist ist, hat keinen Verstand.“  

Seitdem hat der Kandidat in Sachen Kapitalismus ironischer Weise eine beeindruckend steile Lernkurve hingelegt. Man denke nur an die Stichworte „Cum-Ex-Skandal und das Bankhaus Warburg“ oder den Bilanzskandal von „Wirecard“, dem ehemaligen Hoffnungsträger der deutschen Finanzwelt. Nur seine „Erinnerungslücken“ bewahrten ihn bei seinen Aussagen in den entsprechenden parlamentarischen Untersuchungsausschüssen vor schlimmen rechtlichen Folgen. 

Auch sein Einsatz für die „schwarze Null“ im Bundeshaushalt, Synonym für keine neuen Staatsschulden, hinterließ beim Beobachter zunächst den Eindruck, mit Scholz gehe ein unbeugsamer Kämpfer gegen die Staatsverschuldung zu werke. Das hinderte ihn freilich nicht daran, wegen der Pandemiezeiten die Schuldenbremse des Grundgesetzes auszusetzen und die Staatsverschuldung mit dem Argument „wirtschaftliche Hilfen in der Corona-Pandemie“ in ungeahnte neue Höhen zu treiben. Sein vorher zum Glaubenssatz erklärtes Ziel der „schwarzen Null“, wurde schnell und ohne Skrupel ad acta gelegt.  So stieg die Verschuldung des Bundes bis zum Ende des vergangenen Jahres auf 1403,5 Milliarden Euro. Das ist ein sattes Plus von 18 Prozent. Der Gesamtschuldenstand von Bund, Ländern und Kommunen beträgt gemessen am Bruttoinlandsprodukt BIP mittlerweile 70 %. Einwürfe wie “Herr Bundesfinanzminister, da war doch noch was!“ Nämlich der Maastricht-Vertrag über den Euro, der nur einen Schuldenstand von maximal 60 Prozent des BIP erlaubt, werden als lästig abgetan.  

Ein Ende des Geldrausches ist nicht absehbar. Im Gegenteil! Olaf Scholz findet unübersehbar Gefallen am Schuldenmachen und Geld ausgeben. Um die Schuldenlast zu tragen, sollen nach seinem Wahlsieg neue Geldquellen erschlossen werden. Das sind für gewöhnlich die Steuerzahler. Die Details der geplanten Steuer- und Abgabenerhöhungen sind im aktuellen Wahlprogramm der SPD nachzulesen. Doch wer liest schon Wahlprogramme?

 Inzwischen macht sich der Kanzlerkandidat daran, ein weiteres Tabu zu brechen: Eine Koalition der SPD mit den Erben der SED, der Linken. Er folgt damit seiner zeitweise aus der Öffentlichkeit verschwundenen Parteivorsitzenden Saskia Esken. (Gibt es eigentlich Nowabo noch?) Sie fordert, nach der Wahl ein „progressives Regierungsbündnis“ zu schließen. Darunter versteht sie keine Jamaika-Koalition aus SPD, Grünen und FDP, sondern Rot, Grün, Rot. Das wäre dann die letzte große Volte im politischen Leben des Olaf Scholz und der endgültige Beweis dafür, dass es sich bei dem Kandidaten um ein politisches Schweizermesser handelt. Mit dem kann man bekanntlich alles machen, aber leider nichts wirklich richtig.

(Un-)friendly fire

(Un-)friendly fire

„Friendly Fire“ dieser Begriff hat mit freundschaftlich so gar nichts zu tun.  Militärs bezeichnen so eine ebenso dramatische, wie fatale Situation, in der Stellungen von Soldaten von der eigenen Artillerie oder aus der Luft beschossen werden. Es handelt sich also um einen ausgeprägten Euphemismus, der die Sache nicht besser macht- nur nachvollziehbar. „Friendly fire“ gibt es mitunter auch in der Politik, wenn Kritik mangels Kenntnis oder Kommunikation unbeabsichtigt eigene Parteifreunde oder Genossen trifft. Der CSU-Generalsekretär Markus Blume hat jetzt vorgemacht, dass es auch „unfriendly fire“ gibt. Als die letzten Meinungsumfragen von ARD und ZDF die Union nur auf den zweiten Platz hinter den Grünen setzten, holte er kräftig aus und deutete auf den Kanzlerkandidaten der Union. Der sei an allem Schuld – vor allem an der schlechten Stimmung im Land für die C-Parteien. So wie Kinder versuchen, die Schuld von sich auf andere abzuwälzen, wenn sie geschimpft werden. 

Zwar steht in der Stellenbeschreibung eines Generalsekretärs, dass er der Mann für’s Grobe sein muss. Aber das sollte Blume nicht daran hindern, sich die simple Logik zu erschließen, dass Stammwähler der Union harmoniesüchtig sind. Sie bestrafen jeden Streit der zwei Schwesterparteien mit einem Stück Liebesentzug. Die größten Erfolge feierten CDU und CSU deshalb nur, wenn sie geschlossen auftraten. 

Dabei wäre es des „Schweißes der Edlen“ wert, die Partei der Grünen genauer ins Visier zu nehmen und nicht nur alte Feindbilder zu reproduzieren. Baerbock und ihre Mitstreiter setzen beim Wahlvolk voll und ganz auf das Idealbild einer kuscheligen Umweltidylle, die man mit ein paar Weichenstellungen in der Umweltpolitik leicht bekommen könnte. Das magische Datum dafür ist das Jahr 2030. Man muss bis dahin nur die Klimaziele auf 70 Prozent weniger Treibhausgase anheben. Den CO2-Preis für Verkehr und Wärme auf 60 Euro je Tonne anheben. Keine Zulassung von Autos mit Verbrennungsmotoren mehr. Ein Verbot von Inlandsflügen, der Ausbau von Bahn und Radwegen komplettieren die grünen Pläne.

Die volkswirtschaftlichen Kosten für diesen Umbau sollen durch Steuererhöhungen (Spitzensteuersatz bei 45 Prozent!), eine Vermögenssteuer und vor allem durch den Umbau der „Schuldenbremse“ aufgebracht werden. Dadurch soll der Staat ermächtigt werden, jährlich 50 Milliarden Euro zusätzliche Schulden aufzunehmen. Das ist, milde formuliert, ein waghalsiges Unterfangen, bei einem Schuldenhöchststand von mehr als 2,3 Billionen €. Das wird die Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden lange belasten. Wegen der Finanzhilfen in der Pandemie reißt Deutschland auch ein wichtiges Stabilitätskriterium für den Euro. Der gesamte Schuldenstand liegt jetzt bei über 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Die gesetzmäßige Folge solch hoher Schuldenberge ist die Inflation. Nachdem sie in Europa lange nicht mehr zuhause war, ziehen jetzt dunkle Wolken auf. Derzeit rechnet die Währungshüterin EZB mit einer Inflationsrate von drei Prozent in diesem Jahr. Darauf wird die Zentralbank wohl oder übel mit einem steigenden Leitzins reagieren müssen, wenn sie ihre Aufgabe, den Geldwert stabil zu halten, ernst nimmt. Der Abbau des Schuldenbergs ist aber vor allem eine nationale Aufgabe. Dazu braucht es ein Konzept zur Schuldenrückführung. Das ist im Wahlprogramm der Grünen nicht vorgesehen. 

Ihre Spitzenkandidatin Annalena Baerbock zieht einstweilen durch die Talkshows der Fernsehsender. Ihre großen Wissenslücken werden weggelächelt. Bei den seltenen kritischen Nachfragen verschießt die Kandidatin ein Trommelfeuer aus Worthülsen, bis auch der bemühteste Nachfrager ermattet aufgibt.  Meist werden ihre grünen Allgemeinplätze von den Moderatoren aber freundlich begleitet oder enden – wie bei Pro7 geschehen – im Applaus der beiden „Journalisten“ für Baerbock vor laufender Kamera. Da fehlt als Höhepunkt journalistischer Nichtleistung eigentlich nur noch die Frage: „Geht es Ihnen so gut, wie Sie heute wieder aussehen?“

Dennoch werden hie und da ihre Defizite offenbar, etwa, wenn sie im Deutschen Bundestag ihr Nichtwissen in die freundliche aber falsche Unterstellung zusammenfast und der SPD die Erfindung der Sozialen Marktwirtschaft und die Verantwortung für die Deutsche Einheit zuschiebt. Die Fakten stellen sich anders da! Der Vater des deutschen Wirtschaftswunders in der noch jungen Bundesrepublik und der Sozialen Marktwirtschaft war ein gewisser Prof. Ludwig Erhard. Er war Mitglied und in der Nachfolge von Konrad Adenauer kurze Zeit Bundesvorsitzender der CDU. Bundeskanzler Helmut Kohl, ebenfalls CDU-Bundesvorsitzender, gilt unbestritten als Vater der Deutschen Einheit. Mit der Wirtschafts- und Währungsunion und mit dem 2-plus-4-Vertrag schuf er die Einheit Deutschlands über 50 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg und der Trennung in zwei Staaten. Kurz vor Beginn der friedlichen Revolution in der DDR hatte die SPD unter der Führung ihres damaligen Vordenkers Egon Bahr noch ein Positionspapier über die Gemeinsamkeiten mit der SED verfasst. Der damalige SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine opponierte öffentlich gegen die Wiedervereinigung.  Erst Willy Brandt, dem großen alten Mann der Sozialdemokratie,  gelang es, die SPD für das Ende der Teilung Deutschlands zu gewinnen. Sein legendärer Satz, „Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört.“ war so etwas wie ein Machtwort an die Adresse der Genossen.

Auch im aktuellen Konflikt im Nahen Osten schwurbelt die Kandidatin herum. Statt die Hamas, den Urheber der Terrorangriffe, klar beim Namen zu nennen und Israel der Unterstützung Deutschlands zu versichern, beschränkt sich die Grünen-Politikerin auf ein fades Lippenbekenntnis zum Recht auf Selbstverteidigung.  Damit kaschiert sie nur unzureichend, was sich hinter der in der Öffentlichkeit gepflegten grünen Gutbürgerlichkeit verbirgt. Vermutlich nimmt sie mit ihrem lauen Statement Rücksicht auf die so genannten „Anti-Zionisten“ in den eigenen Reihen. Sie sind ein Relikt der radikalen Wurzel der Grünen aus der unruhigen 68er-Zeit und stehen für einen politischen Antisemitismus. 

Schon jetzt befürchten etliche Realos der Partei, dass ein fulminantes Wahlergebnis bei der Bundestagswahl, Vertretern radikaler Parteiströmungen, von Alt-68ern bis hin zu radikalen Umweltschützern den Weg auf die Abgeordnetensitze ebnen wird. Das würde zu einem veritablen Problem im Alltag einer grün geführten Bundesregierung werden, das sich in mangelnder politischer Stabilität niederschlagen würde.