INS MILDE LICHT GESETZT

INS MILDE LICHT GESETZT

Der Bund der Steuerzahler wartet in jedem Jahr mit Vorschlägen für Einsparungen beim Bundeshaushalt auf. Mitunter findet man dann auf der Website der Organisation (steuerzahler.de) ein enthüllendes Kleinod, das aus dem üblichen Zahlenspiel herausragt. Aktuell berichten die „Lobbyisten“ der Steuerzahler über die wachsende Beliebtheit eigener Fotografen und Visagisten bei den Mitgliedern der Bundesregierung. Sie ist offenbar bei den Ampel-Ministern weit verbreitet. Soweit sich die Ministerien nicht ausschwiegen, beläuft sich die  Honorarsumme für eigene Fotografen und Visagisten in Diensten der Kabinettsmitglieder im ersten Regierungsjahr der Ampel auf rund 1,5 Millionen Euro. Damit haben sie rund 80 Prozent mehr Honorare ausbezahlt, als zu Zeiten von Bundeskanzlerin Merkel. Spitzenreiterin des Jahres war dabei Außenministerin Baerbock. Das von ihr geführte Auswärtige Amt zahlte 2022 rund 137.000.- Euro für die Dienste einer Visagistin. Auch Robert Habeck beschäftigt laut einer Antwort auf eine kleine Anfrage im Bundestag einen eigenen Fotografen, damit er vor den Wählern stets in einem milden Licht und dem richtigen Blickwinkel erscheint.

Vor dem Hintergrund der gesamten Ausgaben der Bundesregierung für die Öffentlichkeitsarbeit sind 1,5 Millionen Euro nicht das größte Stück aus dem Etat-Kuchen. Es weist aber auf einen interessanten Trend hin. Die Politiker von Rot, Grün und Gelb haben offenbar verinnerlicht, was der Begriff „die Macht der Bilder“ in der Zeit von Facebook, Twitter, Instagram und Co. bedeutet. Auch in meiner Amtszeit als Chef des Bundespresseamts, achteten die Mitarbeiter und ich bei den Fototerminen des Bundeskanzlers auf die „Kulisse“, doch von Inszenierungen waren wir in den 90er-Jahren noch weit entfernt.  Mein persönlicher, selbst erlebter „Gipfel der Inszenierung“ war ein zufälliges Zusammentreffen mit dem damaligen französischen Staatspräsidenten Jaques Chirac im Waschraum einer öffentlichen Toilette im Konferenzzentrum von Avignon. In dieser Stadt hatten die alljährlichen deutsch-französischen Regierungskonsultationen stattgefunden. Während ich mir die Hände wusch, stand der Präsident vor dem Spiegel des Waschbeckens nebenan, kämmte sich und legte ein wenig Makeup auf, um die Spuren ein wenig zu kaschieren, die eine mehrstündige Sitzung auch auf Präsidentengesichtern hinterlassen. 

Bundeskanzler Helmut Kohl fehlte dagegen jede Form von Eitelkeit. Visagisten waren bei ihm arbeitslos und Fotografen empfand er meistens als lästig. Nach jeder internationalen Konferenz, egal wie lange sie dauerte und wie anstrengend sie war, etwa bei Nachtsitzungen der EU-Staats-und Regierungschefs, kam er zu mir mit dem Satz: „So Staatssekretär! Jetzt kannst Du Deiner Kundschaft sagen, dass der Bauer wieder zu ihnen kommt.“  Und wir gingen zur Pressekonferenz. Damit spielte er darauf an, dass ihn die meisten Journalisten gerne in die Schublade „Provinzler“ stecken wollten. Was sich allerdings spätestens in den Jahren nach 1990, dem Jahr der Deutschen Einheit, grundlegend geändert hatte.

Auch Helmut Kohl ahnte, wie wirkungsvoll Bilder sein können. Eine kleine Episode bewies ihm endgültig wie stark und mächtig Bilder sein können. Bei einem Gipfeltreffen der NATO in Madrid, standen wir morgens im Hotel-Foyer um auf die Abfahrt zum Tagungszentrum zu warten, die vom Ausrichter protokollarisch geregelt wurde. Jemand in der Runde warf eine witzige Bemerkung in den Smalltalk und wir lachten. Wir das waren Bundeskanzler Helmut Kohl, Bundesaußenminister Klaus Kinkel, Verteidigungsminister Volker Rühe und ich. Am folgenden Wochenende hatte ich frei und war nach München zu meiner Familie gereist. Samstags ging ich wie immer zum Einkaufen. Die Verkäuferin an der Käsetheke sagte zu mir: „Jetzt hab´ ich Sie und den Herrn Bundeskanzler in Madrid gesehen. Das war ja ein Riesenerfolg.“  Ich fragte, ob sie sich für Außen- und Sicherheitspolitik interessiere. Sie antwortete: „Nein, aber sie waren so guter Laune!“ Da war sie wieder, die Macht der Bilder. Am Montag in der sehr frühen täglichen Sitzung des so genannten Küchenkabinetts meinte Helmut Kohl mit Blick auf mich: „Ich ziehe jetzt nur noch mit Dir lachend durch Bonn!“ Er hatte am Wochenende zuhause ähnliche Erlebnisse wie ich gehabt. 

Sie waren ein Beweis dafür, dass Bilder stärker wahrgenommen und mitunter die Wahrnehmung von Inhalten blockieren. Egal was der NATO-Gipfel beschlossen hatte und egal was die Journalisten inhaltlich berichteten, – die Fernseh-Zuschauer schlossen aus den Bildern einer fröhlichen Runde, dass die Herren einen Grund dem Lachen hatten und das konnte nur ein Erfolg beim Gipfeltreffen der NATO-Staaten sein. Die Bilder wirkten stärker als jeder Inhalt. 

Dieses Phänomen hatte bereits Neil Postman in den 80er Jahren in seinem bekannten Buch „Wir amüsieren uns zu Tode“ beschrieben. Darin kritisierte er besonders heftig das Fernsehen. Seine wachsende Bedeutung in der Medienwelt ende in einer Guck-Guck-Welt, in der jede Nachricht nur noch als Unterhaltung wahrgenommen wird.

Die Ampel scheint Postmans Buch und die Wirkung von Bildern verinnerlicht zu haben. Egal was sie beschließt, wichtig sind nur die Bilder, die sie in ein mildes Licht tauchen, damit sie von den Menschen der Guck-Guck-Gesellschaft positiv wahrgenommen werden.

Ein Gedanke zu „INS MILDE LICHT GESETZT

  1. Wieder mal eine sehr schöne Kolumne! Und gleich die dritte in wenigen Tagen, das freut mich besonders!
    Beim Lesen ist mir wieder eingefallen, wie groß die Macht der Bilder sein kann. Ich weiss zwar nicht, wie groß die Chancen von Herrn Laschet waren, die Bundestagswahl zu gewinnen. Aber sein Lachen im Angesichts der Flutkatastrophe in Ahrweiler während der Rede von Bundespräsident Steinmeier hat ihn mit großer Wahrscheinlichkeit aller Chancen beraubt. Worüber er gelacht hat, ist unwichtig, die Bilder ein Wendepunkt.
    Und zu einem positiven Bild: Helmut Kohl in Strickjacke und Michael Gorbatschow auf den Baumstümpfen im Kaukasus sitzend, irgendwie war mir da klar, das kann tatsächlich klappen. Jedes mal wenn ich in Bonn bin versuche ich in das Haus der deutschen Geschichte zu gehen und freue mich dann, Jacke und Holzstumpf zu sehen.

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