Nüchternes Hochamt

Nüchternes Hochamt

CSU-Parteitage wurden schon immer gerne mit Etiketten versehen. Das „Hochamt für den CSU-Vorsitzenden“, wie das Treffen der rund tausend Delegierten früher gerne genannt wurde, bediente den Mythos und wies etwas Weihevolles auf. Diesmal bot der CSU-Parteitag, auf dem die Nachfolge von Horst Seehofer geregelt wurde, nur eine nüchterne Version  dieses Hochamtes. Keine Jubelstürme, überschaubare „standing ovations“ mit nur 3 Minuten und 30 Sekunden Dauer statt wie früher weit über fünf Minuten für den scheidenden Vorsitzenden und ein Stimmenergebnis von nur 87, 42 Prozent für den neuen Vorsitzenden Markus Söder belegen das. 

Als ich als junges CSU-Mitglied das erste Mal Parteitagsdelegierter war, gab mir ein älterer Parteifreund die Verhaltensregel „Mir hutschen neamand!“ (Hochdeutsch: „ Wir wiegen niemanden sanft!“) mit auf den Weg. Dieser Parteitag hat sich daran gehalten.

Wie zu erwarten wurden „Die Verdienste“ von Horst Seehofer ausführlich gelobt. Und in der Tat hat auch er Verdienste um seine Partei. Nach dem Schock des schlechten Abschneidens der CSU bei der Landtagswahl 2008 und dem Zwang eine Koalition in Bayern eingehen zu müssen, führte der Ingolstädter 2013 seine Partei immerhin zu einer absoluten Mehrheit der Mandate im Maximilianeum. Die Rückkehr zum Nimbus der CSU schien möglich. Horst Seehofer hatte sich eine gute Interpretation seiner Rolle als Landesvater erarbeitet. Die CSU profitierte davon. Sein Führungsanspruch in der CSU war unumstritten. 

Es ist Seehofer sicherlich nicht vorzuwerfen, dass in seine Zeit als CSU-Chef die fortschreitende Zersplitterung unserer Parteienlandschaft fällt. Sie ist auch Ausdruck einer Gesellschaft, die sich immer stärker an individuellen Interessen orientiert.  Aber mit seinem unklaren Kurs bei den Wahlen zum Europaparlament ein Jahr später bei dem vor allem die Europaskepsis überwog, versank die CSU erneut in den Tiefdruckgebieten der Demoskopie. Das Abkanzeln der Bundeskanzlerin auf offener Bühne, seine pointiert rechts-konservativen Akzente in der Flüchtlingspolitik und sein rücksichtsloser und rüpelhafter Streit mit Angela Merkel brachten CSU und CDU an den Rand eines ungeordneten Scheidungsverfahrens,. Das war ein großer Beitrag zu den schlechtesten Wahlergebnissen der CSU seit den 50er Jahren 2017 bei der Bundestagswahl und 2018 bei der Landtagswahl mit jeweils unter 40 Prozent. 

Seehofers Bilanz weist Licht und Schatten auf. Erich Kiesl, der verstorbene Vorsitzende der Münchner CSU und Ex-Oberbürgermeister der Landeshauptstadt, formulierte über einen sehr talentierten Parteifreund einmal die treffenden,  wenn auch wenig schmeichelhaften Sätze: „Der kann die politische Kuh melken, wie kaum ein anderer. Das Problem ist nur – wenn er aufsteht, schmeißt er den Milcheimer um.“ Irgendwie passt das auch zur politischen Bilanz Horst Seehofers. Was bleibt? Horst Seehofers Mahnung an seine CSU, sich der „kleinen Leute“ anzunehmen, könnte man als sein politisches Erbe definieren.  Markus Söder hat daran in seiner programmatischen Bewerbungsrede mit der Beschwörung der Basisarbeit angeknüpft. Die CSU braucht auf allen politischen Ebenen Vertreter, die den Bürgerinnen und Bürgern ein positives Nahbild der Partei zeigen. Sie zählen ebenso für den Erfolg wie die Führungspersönlichkeiten an der Parteispitze. Darin lag ein Teil früherer Erfolge. Die CSU könnte damit das schiefe Bild von den „abgehobenen Politikern“  gerade rücken, von dem die Populisten rechts und links profitieren. Die Wähler müssen wieder besser verstehen können, dass für die Parlamente keine seelenlosen Funktionäre  kandidieren, sondern Menschen wie Du und ich – Eine/Einer von uns. 

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