Der Watschnbaum – oder vom Geben und Nehmen

Der Watschnbaum – oder vom Geben und Nehmen

„Nochmal mache ich den Watschenbaum nicht“, so klagte Horst Seehofer vor kurzem im Bayerischen Fernsehen. Die Wortwahl lässt tief blicken. Im bayerischen Sprachgebrauch gibt es nämlich nur dann Watschn (hochdeutsch Ohrfeigen), wenn der Watschnbaum umfällt. Der Watschnmann ist dagegen der Empfänger der Züchtigung. Es gibt ihn nicht nur im übertragenen Sinn. In der Realität war er ein Vorläufer einer Institution auf jeder Kirmes, der Dult oder den Volksfesten – dem bekannten „Hau-den-Lukas“. In Wien auf dem Prater ist der Watschnmann noch zu besichtigen. Dort misst er, Maschine die er ist, die Kraft mit der die Watschn ausgeführt wird. Das kostet ein paar Cent.

Es gibt bekanntlich den wichtigen Unterschied zwischen Geben und Nehmen und nicht nur den, den uns die Bibel verheißt, weil „Geben seliger ist denn Nehmen.“ Psychologisch gesehen könnte man vermuten, dass Horst Seehofer unterbewusst auch mehr das „Geben“ im Sinn hatte, denn das Nehmen. Weil er die große Zahl seiner Kritiker liebend gerne abwatschn würde, wenn er könnte. Doch schafft er es bislang nicht, seine Strategie
1.) Erst mal Ruhe bewahren!
2.) Dann das Problem auf die Zeitschiene schieben und
3.) schließlich Problem und Kritiker in die Ablage verbannen!
erfolgreich umzusetzen.

Inzwischen fordern CSU-Bezirksverbände einen Sonderparteitag zur Aufarbeitung der Wahlschlappe vom 14. Oktober. Einige auch verbunden mit der unverhohlenen Absicht den CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer zum Rücktritt zu drängen. Rücktrittsforderungen aus Orts- und Kreisverbänden komplettieren das Bild.
Inzwischen hat er seine Getreuen mobilisiert. In Oberbayern, dem größten Bezirksverband der CSU, konnte die Vorsitzende Ilse Aigner dem Vernehmen nach nur mit Mühe eine Rücktrittsforderung verhindern, die mit der Forderung nach einem Sonderparteitag verbunden werden sollte.

Auch Edmund Stoiber ist wieder im Einsatz. In der Talk-Show von Markus Lanz redete sich der Ehrenvorsitzende der CSU derart in Rage, dass der Gastgeber schon sichtbar Sorge um die Gesundheit des Alt-Ministerpräsidenten hatte. Dabei präsentierte er einmal mehr ein hübsches Versprecherchen. Erregt empfahl er dem leicht irritierten Talkmaster, der aus Südtirol stammt, wegen der italienischen Rechtpopulisten künftig doch in „Schutt und Asche“ zu gehen. Doch der wollte weder das noch in „Sack und Asche“ gehen, weil er sich begreiflicher Weise nicht für die Politik in Italien haftbar machen lassen wollte.

Auch Alexander Dobrindt wurde nach langer Abstinenz wieder einmal in einer Talk-Show gesichtet. Er sorgte für einen Mini-Eklat, als er die AfD samt ihren Stimmergebnissen verbal ins bürgerliche Lager eingliedern wollte. Es folgte eine öffentliche Vorführung des CSU-Landesgruppenvorsitzenden. Aus dem gesammelten Schweigen der letzten Wochen wurde ein gestammeltes Herum- und Zurückrudern. Franz Josef Strauß hätte das sicherlich maliziös mit dem bekannten lateinischen Satz „si tacuisses philosophus mansisses„ kommentiert.

Nein, so wird das nichts mit Seehofers Strategie des Kleinredens und des Vergessen-machens! Es wird nicht ausreichen, sich das Ergebnis der vergangenen Landtagswahl mit einem Stimmverlust von über 10 Prozent nach dem Motto „Immerhin sind wir die Stärksten der Schwachen“ schön zu schminken. Damit wird man der Partei des Franz Josef Strauß und seinem Erbe nicht annähernd gerecht. Das wäre genauso, als würde man das Abschmelzen der Gletscher und den Klimawandel mit einen Achselzucken verhindern wollen.

Das Problem der CSU ist die Verschiebung der politischen Koordinaten einer großen Volkspartei. Ausweislich Ihrer Interviews von der Bundestagswahl im Herbst 2017 bis in die Eskalation des Sommers 2018 hatten allen voran Alexander Dobrindt und Horst Seehofer versucht die CSU zu einer „Mitte-Rechts-Partei“ umzudefinieren. Das verengte die Bandbreite der Volkspartei und beschnitt die bürgerliche Mitte. Diese Wähler wanderten prompt zu den Grünen, den Freien Wählern, der FDP und in das Reservoir der Nichtwähler ab. Zusammengerechnet war der Stimmenverlust in diesem Bereich mehr als doppelt so hoch, wie der Verlust an die Rechtspopulisten von der AfD.
Unabhängig von allen Personaldiskussionen, muss die CSU über ihren derzeitigen politischen Standort nachdenken. Andernfalls läuft sie schon im Mai des nächsten Jahres bei den Europawahlen Gefahr noch schlechter abzuschneiden. Die Wähler, die am 14. Oktober nach der Maxime „Augen zu – CSU“ handelten, um die Partei nicht noch tiefer ins Tal der Tränen zu drücken, könnten es sich dann noch einmal anders überlegen. Zum Glück hat das Bundesverfassungsgericht die Prozent-Hürden für die Europawahl abgeschafft. Aber auch hier gilt Friedrich Torbergs Satz aus seinem Buch „Die Tante Jolesch“. „Der liebe Gott möchte uns behüten vor allem, was noch a Glück ist.“

2 Gedanken zu „Der Watschnbaum – oder vom Geben und Nehmen

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